Der Kachelmann-Freispruch und das ungute Gefühl danach
Gestern endete der wohl spektakulärste Prozess diesen Jahres und der einst so beliebte Wetter-Moderator Jörg Kachelmann wurde tatsächlich freigesprochen. Doch ein bitterer Beigeschmack bleibt, denn der Freispruch resultierte aus der Ungewissheit, was sich tatsächlich zugetragen hat. Und weiterhin schwebt die Frage im Raum: hat Kachelmann seine Ex-Freundin nun vergewaltigt oder nicht? Die Beweise und Zeugenaussagen reichten nicht aus diese Frage zu beantworten. Und so entschied das Gericht für „In dubio pro reo“ (lat. „Im Zweifel für den Angeklagten“) und verurteilte ihn nicht. Doch das Ergebnis ist für viele Menschen nicht zufriedenstellend. Sie fragen sich: Ist dieser Freispruch denn wirklich gerecht und richtig?
Wir leben in einer Demokratie und jeder Bürger hat das Recht auf einen fairen Prozess. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir eine so moderne und gerechte Rechtsprechung haben und im Prinzip stimmen mir wohl die meisten Menschen zu, dass es richtig ist einen Angeklagten freizulassen, wenn seine Schuld nicht zu beweisen ist. Aber warum haben wir bei Herrn Kachelmann diese Skepsis? Woher kommt das Gefühl, dass der Kachelmann-Freispruch nicht voll und ganz gerechtfertigt sei. Liegt es nicht daran, dass wir alle nur die vielen Lausemädchen und bizarren Sexpraktiken im Kopf haben, die uns die Presse schon sehr früh als Schlagzeilen präsentierte, und Kachelmann deshalb alles andere als unschuldig aussieht?
Bei einer ehrlichen Betrachtung müssen wir uns wohl alle eingestehen, dass wir Herrn Kachelmann vor allem moralisch verurteilen. Weil er mehrere Liebschaften und Beziehungen nebenher laufen hatte. Weil er „seine Lausemädchen“ belog und betrog. Weil er angeblich auf sadomasochistische Sexpraktiken steht und im Bett anscheinend seine Dominanz und Härte auslebte. Doch so sehr uns diese Dinge auch empören mögen und uns verdächtig erscheinen, mit mehreren Frauen zu verkehren und bizarre Sexspiele zu favorisieren ist nicht strafbar! Es taten sich wirklich Abgründe auf, als wir die unglaublichen Geschichten aus Kachelmanns Privatleben erfuhren, es ist unglaublich, was sich dieser Mann leistete, aber wir dürfen den Vorwurf der Vergewaltigung nicht mit den moralischen Fehltritten des Wettermoderators vermischen, auch wenn diese riesig sind, denn das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Wir sollten uns viel mehr fragen, welche Rolle die Medien gespielt haben. Die Presse zerrte intimste Details aus dem Privatleben Kachelmanns in die Öffentlichkeit, brachte Lausemädchen auf Titelblätter und bezahlte sie dafür. Und machte es dem Gericht dabei immer schwerer eine objektive und faire Verhandlung zu führen. Wir wissen nicht, ob Jörg Kachelmann seine Ex-Freundin vergewaltigt hat. Aber die Vertreter der Medien haben einem fairen Prozess entgegengewirkt und müssen sich heute dem Vorwurf stellen, Menschen durch ihre Berichterstattung enorm geschadet zu haben. Potentielle Zeugen und Gutachter wurden durch die Presse gezogen und verloren im eigentlichen Prozess dann an Glaubhaftigkeit. Und wer letztendlich auch die Wahrheit spricht, Sabine W. oder Kachelmann, beide sind durch die Berichterstattung zu Schaden gekommen. Kachelmann wird sein Lausemädchen- und Vergewaltiger-Image wohl nie wieder los werden und hat seine TV-Karriere verloren. Sabine W. dagegen muss mit einem verlorenen Prozess leben und trägt den Stempel eines vergewaltigten Lausemädchens, das mehrerer Lügen überführt wurde. Medien-Experten sind sich einig – ohne den großen Presserummel wäre der Kachelmann-Prozess mit Sicherheit gerechter verlaufen.
Mein Fazit: Es sollte potentiellen Prozessbeteiligten verboten werden an die Öffentlichkeit zu gehen, um eine möglichst faire Gerichtsverhandlung zu gewährleisten. Und auch die Medien sollten bei der Berichterstattung von laufenden Verhandlungen durch klare Regelungen in ihre Grenzen verwiesen werden und keinesfalls zu einer Vorverurteilung beitragen dürfen.Nur dann haben wir die Chance auf eine faire Rechtsprechung!
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