Transmedia Storytelling – Republica 2012
Gemeinsam mit Maike Coelle, Kristian Costa-Zahn, Dorothea Martin, Patrick Möller, Gregor Sedlag und Philipp Zimmermann habe ich auf der re:publica 2012 unser Transmedia Manifest präsentiert, das wir bereits im Herbst 2011 auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt haben. Um es nicht so theoretisch zu gestalten, haben wir zunächst zwei Beispiele gezeigt, die den Transmedia-Ansatz gekonnt umgesetzt haben. So hatte das Publikum gleich ein wenig Action (ist ja schließlich das Motto der diesjährigen re:publica) und die Beispiele zeigen zudem – ohne viel erklären zu müssen – was Transmedia Storytelling eigentlich ist.
Unser erstes Beispiel für eine gelungene Transmedia-Kampagne, war die Batman-Kampagne „I believe in Harvey Dent“ zum Film „The Dark Knight“:
Auch die aktuelle BBC-Serie „Sherlock Holmes“ hat transmediale Züge. Die TV-Serie ist zwar an die Originalgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle angelehnt, doch die Figuren der berühmten Geschichten haben bei der Fernsehserie einen Zeitsprung in die Gegenwart gemacht. Sherlock und Watson nutzen Smartphones, Computer und auch das Internet. Und die Fernsehzuschauer haben die Möglichkeit nicht nur gespannt vor der Flimmerkiste zu sitzen und Sherlock und Watson beim Lösen diverser Fälle zuzuschauen, sie können sich auch aktiv beteiligen und beispielsweise Dr. Watsons Blog lesen. Dort bloggt er über die aktuellen Entwicklungen – zeitgleich zur Serie. Aber auch auf Sherlocks Seite gibt es einiges zu entdecken, wie beispielsweise Einblicke in gefundene Dokumente, die man sich zur weiteren Spurensuche sogar herunterladen kann. Damit nicht genug! Überall auf der Welt zeigen Sherlock-Fans aufgrund der Ereignisse in der zweiten Staffel, dass sie voll und ganz hinter dem Meisterdetektiv stehen. Fans der Serie stellen beispielsweise Fotos von sich ins Internet mit Zetteln auf denen „I believe in Sherlock“ steht. Und auch Plakate wurden überall auf der Welt gefunden, sogar in Leipzig.
Nach den beiden Beispielen kam dann der theoretische Teil. Die 11 Thesen des Transmedia Manifests wurden glücklicherweise mitgefilmt und Ihr könnt Sie Euch hier als Video ansehen:
Das Transmedia Manifest – die 11 Thesen:
- Die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmt. Die Fiktion bemächtigt sich der Realität, um ihre Immersion zu steigern. (Claiming reality)
- Die Geschichte bietet dem Experiencer durch sogenannte „rabbit holes“ verschiedene Möglichkeiten in sie einzutreten. (Rabbit holes)
- Der Experiencer muss nicht mehr einer einzelnen Dramaturgie folgen, sondern darf selbst aus mehreren sich kreuzenden Narrationsbögen auswählen, die schlussendlich in einem großen Geschichten-Universum aufgehen. (Story universe)
- Die Experiencer tauschen sich sowohl untereinander als auch mit fiktionalen Figuren aus, nehmen aktiv an der Geschichte teil und beeinflussen diese. (Interactivity)
- Das Geschichten-Universum bietet dem Experiencer die Möglichkeit, sich an ausgewählten Stellen selbst gestalterisch einzubringen. (User Generated Content)
- Das Geschichten-Universum beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Medium, sondern nutzt die Stärken verschiedener Medien, um aus ihrer Symbiose etwas Neues zu erschaffen. (Transmediality)
- Der Experiencer wird zum Träger der Fiktion, indem er reale Orte aufsucht, an denen Teile des Story-Universe erzählt werden. (Location-based storytelling)
- Das Geschichten-Universum verlangt vom Experiencer nicht, sich stets aktiv an der Geschichte zu beteiligen, sondern bietet auch die Möglichkeit, die Geschichte zeitweise bzw. dauerhaft in einem passiven Modus zu konsumieren. (Lean back, lean forward)
- Das Geschichten-Universum hat das Potenzial, durch mögliche Fortsetzungen, ausgegliederte Nebenhandlungen oder mittels konstanter Elemente innerhalb der Geschichte die Grundlage für eine nie zu Ende gehende Geschichte zu schaffen. (Infinitude)
- Die Vielfältigkeit des Geschichtenerzählens innerhalb des Geschichten-Universums ermöglicht ein Freemium-Geschäftsmodell, das auf vielfachen, kleinen Geldbeiträgen pro Experiencer aufbaut.. (Multipayment)
- Das Geschichten-Universum wird von flexiblen, interdisziplinär agierenden Teammitgliedern gemeinsam entwickelt, da es bei einem Transmedia-Projekt einer Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen bedarf. (Collaborative work)
Auch unsere eigene transmediale Geschichte, die wir angedacht haben, wurde von uns vorgestellt: der Holger-Komplex. Für die Frankfurter Buchmesse hatten wir ein Proof-of-Concept erarbeitet. Dieses begann mit einer transmedial inszenierten Geschichte um ein fiktives Mitglied unserer Gruppe: Holger Schmidt. Holger war Theaterregisseur und Autor, der jedoch nach anfänglicher Beteilligung in unserer Gruppe plötzlich spurlos verschwand. Das einzige was von ihm übrig war, war das Manuskript zu einem Roman, der von seinen eigenen erotischen Abenteuern handelte. Und sein Facebook-Profil mit den letzten Wall-Posts, die er schrieb. Holgers Roman deckte auf, dass er die letzten Wochen und Monate regelmäßig auf einer Dating-Plattform unterwegs war. Doch auf dieser Internetseite war er nicht nur auf der Suche nach sexuellen Abenteuern, sondern kam auch einer Mörderin auf die Spur. Diese nutzte die Dating-Plattform anscheinend bereits seit langem als „Jagdgebiet“. War vielleicht sie es, die Holger entführte? Doch nicht nur Holgers Roman verweist auf diese Dating Plattform – es gibt noch weitere “Rabbit Holes”, wie beispielsweise das Hörbuch von Cathy, einer von Holgers erotischen Affären, die mit autobiographischen Texten im “Sex and the City”-Stil von ihrem Leben als Single, ihren pikanten erotischen Abenteuern und ihren Reisen berichtet. Rund um die Dating-Plattform bauten wir eine transmediale Geschichte. Der User sollte sich selbst auf der Plattform einbringen können, dort ermitteln, eigenen Content hochladen und sich mit fiktionalen und realen Personen austauschen dürfen. Auch Apps für Smartphones oder Tablets, Rätsel in der Realität (versteckte QR-Codes an unterschiedlichen Locations) und weitere Elemente würden die Geschichte rund um Holger komplettieren. Das Ergebnis war ein Geschichten-Universum, das unsere und die Phantasie anderer immer weiter anregte.
Fazit: Wir hatten an diesem Tag ein wirklich großes Publikum, was uns alle sehr freute. Transmedia Storytelling scheint demnach nicht nur uns zu begeistern, sondern auch viele andere Menschen, die dieses neue Genre sicher gerne häufiger in Form einer spannenden Geschichte erleben würden. Daher mein Aufruf an die vielen Produktionsfirmen und Geschichten-Erzähler da draußen: traut Euch! Kreiert ein transmediales Story-Universum und ermöglicht ein neues Erleben von Geschichten! Die Zeit ist reif für Transmedia Storytelling!
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