Re:publica 2014 Tag 1 – ein Resumee
Der erste Tag der re:publica 2014 beginnt sonnig. Massen strömen in die Station in Berlin, Jung und Alt, vom Business-Anzug bis hin zum Nerd mit bunten Haaren sind hier die unterschiedlichsten Besucher anzutreffen. Ein vielseitiges Publikum, überall Smartphones, Laptops und Tablets, es wird gefilmt, gelacht, gesprochen und Selfies werden geschossen. Twitter läuft mit dem Hashtag #rp14 warm und die Crowd versammelt sich am Morgen vor der Tür zu Stage 1. Hier begrüßen die Gründer der re:publica Andreas Gebhard, Johnny Haeusler, Tanja Haeusler und Markus Beckedahl schon bald die zahlreichen Besucher. Die Enthüllungen von Snowden und die Totalüberwachung über das Internet sind ein Thema, das sich durch den ganzen Tag zieht, auch bei der Begrüßung. Markus Beckedahl ruft zur Verteidigung des Netzes auf und erntet dafür tosenden Beifall:
„Kriminell agierende Geheimdienste haben uns das Netz entrissen. Hier geht es um unsere Grundrechte. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Grundrechte durchzusetzen. Es ist unser Netz, lasst es uns gemeinsam zurückerobern!“
Die re:publica hat viele Sessions zu bieten, viele laufen parallel. Ich konnte an diesem Tag nicht überall gleichzeitig sein, weshalb ich Euch nur von den von mir besuchten Sessions erzählen und nur meine persönlich gesammelten Eindrücke schildern kann.
Geheimdienste vs. Demokratie
Ich startete den Tag als Besucher einer Podiumsdiskussion, in der sich Markus Löning (ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung und Leiter des ‚Privacy Projects‘), Katja Gloger (Journalistin und Vorstandsmitglied des Reporter ohne Grenzen e.V.) und Christian Flisek (Bundestagsabgeordneter SPD, Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses und des Ausschuss Digitale Agenda) der Frage widmeten, wie man Geheimdienste demokratisch kontrollieren kann. Einig waren sich alle, dass das Internet die Tür zu einer globalen Überwachung geöffnet hat, die sich von Staaten und Regierungen nicht kontrollieren lässt. Big brother is watching us – in einem Ausmaß, das sich kaum erahnen lässt. Auch sind sich alle einig, dass wir weltweit gemeinsame Standards brauchen, um dieser Totalüberwachung entgegenzuwirken. Leider stehen wir hier noch ganz am Anfang. Politisch gesehen passiert nur wenig und auch deutsche Unternehmen exportieren noch munter Überwachungssoftware an totalitäre Staaten ohne gesetzlich daran gehindert zu werden. Diese Totalüberwachung der Kommunikation geht mit einem demokratischen Verständnis nicht überein, da widerspricht niemand. Gefordert wird deshalb eine strukturelle Kontrolle der Geheimdienste, die nicht nur an de Oberfläche kratzt und mit entsprechender Manpower ausgestattet ist.
In dieser Diskussionsrunde fehlte mir persönlich die tiefgreifende und laute Empörung über das, was gerade weltweit passiert. Die Grundrechte demokratischer Staatsbürger werden mit Füßen getreten, das sollte doch mehr Emotionen und mehr Aktivismus auslösen. Dennoch ist die Diskussion wichtig und sie war ein guter Auftakt für diesen spannenden Tag auf der re:publica.
Highlight: das Interview mit Sarah Harrison von Wikileaks
Die englische Journalistin und führende Mitarbeiterin von WikiLeaks Sarah Harrison, die Edward Snowden im Sommer 2013 bei seiner Flucht von Hongkong nach Moskau begleitete, kam dieses Jahr zu re:publica und stellte sich zahlreichen Fragen in einem Inteview. Sie hofft, dass der Druck hinsichtlich der unglaublichen Massenüberwachung auf die USA größer wird und gibt zu denken, dass eine so große Anzahl an Menschen für das US-Überwachungssystem arbeitet, wie Norwegen Einwohner hat. Zudem hofft sie, dass die Deutschen lauter Asyl für Snowden von Ihrer Regierung fordern und Snowden vor dem NSA-Untersuchungsausschuss als Zeuge aussagen kann. Auch andere Staaten müssen Deutschland unterstützen, glaubt Harrison, denn ein Land alleine fühlt sich nicht stark genug, um den USA die Stirn zu bieten und Snowden Asyl zu geben. Sarah Harrison ist eine mutige und interessante Frau; nicht ohne Grund erntet sie nach dem Interview Standing Ovations vom Publikum.
Safer Web Surfing
Auch Jacob Appelbaum, Internet-Aktivist und Spezialist für Computersicherheit, spricht auf der Internet-Konferenz re:publica. Gemeinsam mit Jillian York macht er darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, sich gegen die Totalüberwachung zu schützen. Er vergleicht die heutige Situation mit der Aids-Aufklärung. Damals dachten auch viele, dass sie kein AIDS bekommen könnten und dies nur ein Problem bestimmter Kreise seien. Kondome schützen vor AIDS und anderen gefährlichen Krankheiten, das ist heutzutage glücklicherweise bei den meisten Menschen angekommen. Kondome sind wichtig, um uns beim Geschlechtsverkehr zu schützen! Und so gibt es auch Tools für das Internet, die uns vor Überwachung und dem unerwünschten Eindringen in unsere Privatsphäre schützen. Die Aufklärung ist wichtig, damit wir uns alle besser schützen können. Die Massen müssen beginnen sich mit Anonymisierungstechnik zu beschäftigen und lernen, wie sie beispielsweise mit Tor anonym surfen oder die Verschlüsselungssoftware PGP zum sichereren Versand von E-Mails nutzen können.
David Hasselhoff is looking for digital freedom
Viele dachten, dies sei ein Spaß. Aber tatsächlich erschien David Hasselhoff auf der Bühne 1 der re:publica. Der Hollywood-Star setzte sich gemeinsam mit F-Secure für ein Manifest für die Internetfreiheit ein, das von den Internet-Usern in den nächsten Wochen geschrieben werden soll. Und zum Schluss sang er gemeinsam mit dem Publikum noch den Refrain seines Hits „Looking for Freedom“. Netter Auftritt, vom Hocker konnte er mich allerdings nicht reißen. Denn eine klare Haltung gegen die Totalüberwachung im Internet und die Verfolgung Snowdens hatte the Hoff leider nicht.
Sascha Lobo bringt es auf den Punkt
Krönender Abschluss des ersten Tages auf der re:publica war Sascha Lobos Rede zur Lage der Nation. Der bekannteste Blogger Deutschlands sprach endlich deutlich aus, was gesagt werden musste. Die Internet-Gemeinde, wie sie gerne von den Medien genannt wird, sprich die Leute, die sich im Netz heimisch fühlen und für ein freies und sicheres internet stehen, haben versagt! Zu wenig Geld wird gespendet, zu wenig netzpolitisches Interesse gezeigt. Geld und Manpower sind aber notwenig, um für ein freies, sicheres Internet zu kämpfen, das nicht durch Spähangriffe von Geheimdiensten und anderen Organisationen, sowie durch irrsinnige Gesetze in Gefahr gebracht und zerstört wird. Sascha Lobo fordert die internetaffinen Besucher auf, endlich für ein freies und sicheres Internet einzutreten, Geld zu spenden und die Totalüberwachung als das zu sehen was sie ist: ein antidemokratischer, grundrechtsfeindlicher und sicherheitsfeindlicher Angriff auf die digitale Gesellschaft.
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